Anwesen Marktplatz 27

Am 27. Dezember 2004 wurde am Anwesen Marktplatz 27 – Heilingbrunner bzw. Metzgerei Jäger - ein neues Schild mit der Aufschrift: "98 – A 26 – Marktplatz 27" angebracht. Dieses Schild zeigt die historischen und gegenwärtige Hausnummer des Gebäudes auf. Dazu Erläuterungen zur Hausgeschichte für die "fremden" Gäste – Salzhandel – und die "Einheimischen" –  Hausnummern und Wohnhaus.

1. Salzhandel

Bereits bei der ersten urkundlichen Nennung von Schwandorf im Jahre 1006 ist von einer Schiffsanlegestelle die Rede. Eine Anlegestelle bedeutet nicht nur anhalten, sondern auch be- und entladen der Schiffe.

Das Salz wurde traditionell auf dem Wasserwege transportiert. Lediglich das Reichenhaller Salz war auf den Landweg angewiesen.

Der Transport erfolgte in sogenannten Salzscheiben oder Kufen. Das sind doppelkonisch zulaufende Holzfässer, in welche das Salz eingestoßen wurde. Die Maße waren genormt und betrugen zwischen 130 bis 150 Pfund. Erst Ende des 18. Jh. kamen Fässer und Säcke in Gebrauch.

Salzstadeln sind seit dem 14. Jh. belegt. In Regensburg befand sich der Amberger Salzstadel, der 1489 erbaut und 1551 neu erbaut wurde. Dazu der Regensburger Salzstadel, der von 1616 bis 1620 entstand.

Auch in Schwandorf befand sich am Naabufer ein Lagerhaus. Die zwischen den Anwesen Popp und Scharl von der Ettmannsdorfer Straße abzweigende, nach Westen führende Gasse, trägt seit 1926 den Namen Salzgasse und bezeichnet den Standort dieses Lagerhauses am südwestlichen Stadtmauerturm. Es diente als Umschlagplatz für Salz, Eisenprodukte und Wein. Um 1692 kaufte die Stadt Schwandorf alles die Naab herauf transportierte Salz und lagerte es dort ein. Ein eigener Salzmeister besorgte den Weiterverkauf. In der Vorindustriellen Zeit wurden 50 bis 60 % der Salzmengen für die Konservierung von Lebensmitteln benötigt. 30 bis 40 % verbrauchten Mensch und Tier und nur 10 % wurden für gewerbliche Zwecke genutzt. Vor der Erfindung der künstlichen Kälte war das Einsalzen der Lebensmittel die wichtigste Methode der Konservierung der Lebensmittel. Erinnert sei hier an die umfangreichen Weiher in der Umgebung Schwandorfs. Mit Hilfe des Salzes wurde der Fisch transportfähig und zur Handelsware.

Die Stadtkammerrechnung von 1521, in welcher Einnahmen aus dem Salzstadel verzeichnet sind und die Klage der Amberger Bürger vom 9.11.1665 gegen die Schwandorfer wegen zweier Salzscheiben sind weitere Beweise für den regen Salzhandel in der Stadt.

1670 erhielt die Stadt Amberg ein Monopol für den Salzhandel. Mit dem 30-jährigen Krieg kam auch der Eisenhandel zum erliegen. Für das Lagerhaus wurde eine neue Verwendung gesucht. Gleichzeitig stieg der Bierkonsum. Das Lagerhaus wurde zur Mulz umfunktioniert und der Salzstadel in die Breite Gasse verlegt.

1917 ist der Giebel der Mulz eingestürzt. 1922 wurde das Gebäude für 200.000 Mark auf Abbruch veräußert. Den leeren Platz verpachtete die Kommunbraugesellschaft 1923 an die Firma Fröhler & Söllner als Lagerplatz.

Der Salzverschleiß wurde nach 1670 an einzelne Krämer verpachtet. Der Pachtzins betrug 15 Kreuzer pro Salzscheibe. Die Salzhandelsgerechtsame ist bis zur Einführung der Gewerbefreiheit auf dem Anwesen Marktplatz 27 gelegen. Einen letzten spürbaren Aufschwung erlebte der Salzhandel als im Jahre 1826 die Naab-Vils-Schifffahrt eingestellt wurde und man die Salzstraße von Regensburg über Burglengenfeld und Schwandorf nach Amberg bestimmte. Noch im Jahre 1900 betrieben die beiden Firmen Holzer und Islinger in der Schwaigerstraße eine Salzniederlage.

1692 richtete die Stadt in den entbehrlichen Salzstadel den Baustadel ein. Heute befindet sich an dieser Stelle die Altstadt-Apotheke.

Quellen:
Hans Obendorfer, Plaudereien über Schwandorfer Straßennamen, in Traute Heimat 9. Jahrgang, 1934, Nr. 6 vom 11.2.1934
Friedrich Kuttner, Die Salzschifffahrt auf Naab und Vils in Heimaterzähler, 1952, Nr. 5 und 6- Nach Archivalien im Staatsarchiv Amberg KdI Nr. 9401 vom 15.4.1820
Joseph Pesserl, Chronik und Topographie von Schwandorf, 1866, Seite 274, 374, 383, 393, 518
Hans-Werner Robold, Schwandorf in Geschichte und Gegenwart, Seite 452
Stadtarchiv Schwandorf, Bauplan Nr. 2274 vom Mai 1917
Stadtarchiv Schwandorf; Protokolle der Communbraugesellschaft
Haus der Bay. Geschichte; Salz macht Geschichte, Katalog 1995
Johann Rothauscher, Heimatchronik für Klardorf-Zielheim, Seite 34, Die Salzstraße
Vermessungsamt Schwandorf, Liquidationsprotokolle für die Stadt Schwandorf
 

2. Hausnummern

Hausnummern waren ursprünglich nicht üblich. Jeder kannte jeden. Doch das Wachstum der großen Städte verlangte im Königreich eine neue Ordnung. Mit königlicher Verordnung vom 13.5.1808 führte man daher Hausnummern ein. Diese fortlaufende Nummer begann mit der 1 – heute Friedrich-Ebert-Straße 1 – und erfaßte alle Gebäude der Stadt. Diese polizeiliche Nummerierung wurde in den Jahren 1810 bis 1818 ausgeführt. Spätere Neubauten erhielten die nächste freie Nummer. So entwickelte sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte ein wirres Durcheinander, da ja nicht alle Neubauten nebeneinander standen, sondern sich naturgemäß auf das gesamte Stadtgebiet verteilten. Um ein gewisses Maß an Ordnung beizubehalten begann man später die Neubauten durch einen Zusatz zur Hausnummer des Nachbargebäudes zu unterscheiden. So verwendete man z.B. ½, 1/3 oder auch a, b usw. Eine der kompliziertesten Hausnummern die vergeben wurde, ist z.B. "314 1/20 b" heute Löllstraße 33.

Durch einen Bindestrich getrennt erscheint im Schild die 1884 eingeführte neue Ordnung. Die sogenannte "Litera Hausnummer". Jede Straße bekam einen Buchstaben zugewiesen. In Schwandorf der Marktplatz "A", die heutige Friedrich-Ebert-Straße "B", die heutige Breite Straße "C", Brauhaustraße "D", Spitalstraße "E", Spitzwegstraße "F", Bahnhofstraße "G", Ettmannsdorfer Straße "H", Stadtmauergasse "J" usw. Jedes Gebäude bekam dann noch zusätzliche eine fortlaufende Zahl. Hier z.B. A 26". Mit Stadtratsbeschluß vom 24.5.1884 erhielten dann noch zusätzlich einige Straßen einen festen Namen, die alten bereits mündlichen Gebrauch amtlich bestätigten und teilweise noch heute gebräuchlich, teilweise aber auch vergessen sind. Z.B. Marktplatz, Breite Gasse, Regensburger Straße, Spitalgasse, Pflegbergplatz (frei Fläche zwischen Pfarrkirche St. Jakob und Pfleghof), große Klostergasse (heute Neubäckergasse).

In der Zeit von 1927 bis 1930 wurden diese Straßennamen fester Bestandteil der Adresse. Man nahm Abschied von der Litera Hausnummer, die zwischenzeitlich beim Buchstaben W angekommen war und Nummern bis weit über 100 erreichte. Z.B. V 133, für die Dampfziegelei GmbH heute Steinberger Straße 47. X, Y, und Z wurden in Schwandorf nicht vergeben. Alle Straßen, die bisher noch keinen festen Namen hatten erhielten nun eine Bezeichnung. Eine Veränderung im Bestand der Straßennamen brachte die natzional-sozialistische Machtergreifung. Bereits am 3.4.1933 erhielten z.B. die Schulstraße Namen der Politgrößen – hier Schemmstraße. Beachtlich ist dabei, daß dem "Führer" erst am 8.4.1933 die Regensburger Straße gewidmet wurde. Die Regensburger Gasse ist auch jene Straße, die am häufigsten den Namen wechselte. Bereits 1555 als Regensburger Gasse bekannt, dann ab 1884 Regensburger Straße, ab 1928 innere Regensburger Straße, 1933 Adolf-Hitler-Straße, seit 14.5.1945 wieder Regensburger Straße, seit 24.2.1948 wieder innere Regensburger Straße, seit 7.11.1948 Friedrich-Ebert-Straße. Die kommunale Gebietsreform brachte die bisher größte Veränderung im Bestand. Durch die Eingemeindung der heutigen Stadtteile gab es nun mehrere Straßen mit dem gleichen Namen. Der Stadtratsbeschluß vom 28.7.1973 brachte Abhilfe und Veränderung. Im Altstadtbereich z.B. der Wechsel von der Bergstraße zur Spitzwegstraße oder von der Marktplatzgasse zur Konrad-Max Kunz Gasse. Auch bauliche Veränderungen zwangen zu einer Neuordnung. So wurden durch Beschluß vom 12.11.1981 die Lampartstraße, Seelenhausgasse, Turnhallengasse und Uferstraße eingezogen und die neue Straße mit Naabuferstraße benannt. Die jüngste Straßennennung im Altstadtbereich gab der Oberbürgermeister am 28.7.2002 bekannt. Die neu entstandene Zufahrt zum Rathaus erhielt den Namen "Spitalgarten".

Trotz aller Bürokratie haben noch nicht alle öffentlichen Straßenflächen einen formellen Namen. Geringe "Restflächen" harren noch auf eine Benennung. Z.B. die Fläche zwischen dem Mesnerhaus und dem ehemaligen Konventgebäude der Schulschwestern, oder die Gasse die entlang dem Heilingbrunnerhaus nach Westen führt und die Verbindung zwischen Marktplatz und Brauhausgasse herstellt. Auch die im Volksmund als Stettnerplatz bezeichnete Fläche ist formell nicht gewidmet.

Quellen:
Bay. Kataster 1954, Seite 13 ff
Stadtadreßbuch der Stadt Schwandorf 1984
Franz Sichler, Das Rathaus der Stadt Schwandorf, 2004, Seite 103
Mittelbayerische Zeitung
 

3. Wohnhaus
Am  26.11.1774 ersteigerte das Anwesen der Händler Josef Bartholomäus Bronold. Kurz vorher am 5.2.1774 schloß er mit Maria Magdalena Neukirchner die Ehe. Aus der Ehe gingen unter anderen die Kinder Josef Pronold - später der Hausbesitzer - und die Tochter Eusebia hervor. Von besonderem Interesse ist der Ehemann der Tochter Eusebia, der Stadtphysikus Dr. med. Christoph Schleis von Löwenfeld.
Der Schwiegersohn Christoph Raphael ist der am 20.9.1772 in Sulzbach geborene Sohn von Dr. med. Josef Bernhard Schleis von Löwenfeld. Der Vater war am 27.3.1731 in Gemünden / Main geboren und 1757 als Feldarzt der kurpfälzischen Armee bezeichnet. Er wurde 1760 in den Adelsstand erhoben und Hof- und Medizinalrat - Leibarzt der Herzogin Dorothea Franziska von Pfalz-Zweibrücken. Diese ist die Stammmutter aller Könige von Bayern und aller Herzöge in Bayern. Josef Bernhard gründete 1792 das Oberpfälzer statistische Wochenblatt und ist am 9.12.1800 in Sulzbach verstorben.
Die Mutter von Christoph Raphael ist die Bürgermeistertochter von Amberg, Maria Anna Franziska Gutmann (1740 - 1808).
Aus der Ehe von Josef Bernhard und Franziska Schleis von Löwenfeld sind insgesamt 6 Kinder darunter Josef Konrad (16.7.1762 - 11.11.1789, Arzt in Sulzbach) und Max Josef (27.9.1767 - 1836, Verleger in Amberg) hervorgegangen.

Christoph Raphael ist am 24.2.1798 in Schwandorf als Stadt - Physikus angestellt worden. Am 19.6.1801 wechselte er als Bezirksarzt nach Sulzbach. Seit dem 6.10.1809 war er Gerichtsarzt in Amberg. Ab dem 19.11.1836 führte er auf Lebenszeit das von seinem Bruder übernommene Amberger Wochenblatt. Am 22.10.1845 erhielt er den Titel königlicher Rat. Am 31.3.1852 ist er in Amberg verstorben. Während seines Aufenthalts in Schwandorf verfaßte er die "Medizinische Ortsbeschreibung von Schwandorf". Dieses Werk ist nach der Ortsbeschreibung von Ingolstadt (1797) das Zweite seiner Art in Bayern. Beide Werke sind Vorbild aller weiteren medizinischen Ortsbeschreibungen.
In erster Ehe heiratete er am 2.1.1799 in Schwandorf die Senatorentochter Eusebia Bronold und in zweiter Ehe am 12.7.1814 in Amberg, Franziska von Hutzendorf.
Seine Kinder sind: Maria Magdalena (geb. 28.3.1801 in Schwandorf), Max Josef (geb. 23.10.1802 in Sulzbach - 1807), Karl Josef (geb. 19.6.1804 in Sulzbach - 13.9.1804), Maria Anna Eusebia (geb. 15.9.1805 in Sulzbach - 21.9.1805), Kreszentia Karolina (geb. 29.1.1807 in Sulzbach - 21.5.1808), Max (geb. 1809 gest. 1897) Leibchirurg von König Max II. von Bayern und König Ludwig II. von Bayern, Anna Maria (geb. 17.2.1811 in Amberg) und Karl Ludwig (geb. 14.1.1814 in Amberg gest. 1870)
 

Von 1823 bis 1857 war Josef Garr Eigentümer des Hauses. Er wurde 1793 in Cham geboren und heiratete 1823 Creszentia Pronold (Tochter des Josef), die das Anwesen mit in die Ehe brachte. In die Zeit seines Besitzes fällt die letzte Blüte des Salzhandels. Als Händler verdiente er ein Vermögen und konnte damit den Grundbesitz beachtlich mehren. Gleichzeitig stand er der Stadt als Ratsherr zur Verfügung. Nach dem Tod der Ehefrau, am 16.3.1847, führte er noch 10 Jahre die Geschäfte bis er das Anwesen an seine Nichte Anna Garr und deren Bräutigam Josef Heilingbrunner übergab. Weitere 10 Jahre verbrachte er als Privatier und Wohltäter der Stadt. 1860 stiftete er 1.000 Gulden zur Aufbesserung des Stiftungskapitals der Knabenschulfondstiftung. Weitere 1.000 Gulden übergab er am 27.8.1861 in Form einer Staats-Obligation. Die jährlichen Zinsen sollten zur Anschaffung von Schulspeisen an die durch Fleiß und Sittlichkeit in der Schule hervorgegangenen Kinder verwendet werden. Diese Stiftung wurde unter den Namen Joseph-Garr-Stiftung geführt und gemeinsam mit der Knabenschulfondstiftung am 24.4.1961 aufgehoben. Das durch Inflation und Währungsreform stark geminderte Stiftungskapital wurde für freiwillige soziale Leistungen der Stadt verwendet. Am 19.2.1867 ist Josef Garr im 74. Lebensjahr an Lungenschlag verstorben. Der damalige Dekan Andreas König hat ihn zu Grabe geleitet. Die Stadt Schwandorf würdigte sein Lebenswerk am 27.3.1912 durch Nennung einer Straße nach seinem Namen. Die Garrstraße führt abzweigend von der Friedrich-Ebert-Straße ostwärts zur Kreuzbergallee.

Quellen:
Matrikel der Pfarrei St. Jakob
Joseph Pesserl, Chronik und Topographie von Schwandorf, 1866, Seite 464
Alfred Wolfsteiner in: Schwandorf in Geschichte und Gegenwart, Seite 618 bis 620

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